Keine „Charlie Hebdo“ in Deutschland

Die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ steht nun wie kaum ein anderes Medium stellvertretend und beispielhaft für die Presse- und Meinungsfreiheit in einem demokratischen Europa.

Viele Menschen in Deutschland hätten am vergangenen Samstag gerne ihr eigenes Exemplar gekauft. Um damit ihre Solidarität bekunden oder einfach weil sie sich ein eigenes Bild davon machen wollten, was denn die mutmaßlich islamistischen Terroristen derart ereifern konnten, dass sie meinten, ein Redaktionsmassaker sei die angemessene Antwort.

Eine druckfrische „Charlie Hebdo“ konnte jedoch kaum jemand bekommen – die lächerliche mickrige Anzahl von 5000 Exemplaren kam in den deutschen Handel. Zudem wurden kleine Bestellungen einfach ignoriert, so dass die Zeitschrift – wenn überhaupt – nur in den Großstädten zu bekommen war. Wer nicht in Berlin, Hamburg, München oder Frankfurt wohnte, ging leer aus, war es offenbar nicht würdig, eine „Charlie Hebdo“ käuflich erwerben zu dürfen. Auch in der Metropolregion Rhein-Neckar hieß es an vielen Verkaufsstellen: „Charlie Hebdo wurde nicht geliefert“.

Aufgrund der großen Nachfrage hat der Presseimporteur Saarbach ein größeres Kontingent bekommen und wird den Pressehandel mit rund 50.000 Exemplaren der französischen Ausgabe beliefern. Am Freitag, 23.Januar, werden die Hefte am Freitag im Handel zu kaufen sein.

Tatsache ist: Der deutsche Presse-Import hat die Entwicklung grandios verschlafen und die Nachfrage kolossal unterschätzt. Stattdessen schieben sich Verlag, Vertrieb und Handel nun gegenseitig den schwarzen Peter zu. Es war eine riesige Chance, sich als dynamische und flexible Branche zu präsentieren. Es wäre möglich gewesen. Sympathien zu gewinnen, nicht nur für die Sache an sich, sondern für das vielfältige deutsche Zeitungs- und Zeitschriftenangebot im Gesamten. Ein Chance, sich gegen alle unflätigen „Lügenpresse“-Vorwürfe in der ganzen Meinungs- und Themenvielfalt zu zeigen.

Stattdessen mussten potentielle Leser, die den Weg zum Zeitschriftenladen auf sich genommen hatten, unverrichteter Dinge wieder abziehen – nun mit der vagen Vertröstung, es eine ganze Woche nach dem offiziellen Verkaufsstart noch mal zu versuchen, natürlich ohne Garantie.

Die Möglichkeit der Verantwortlichen, hüben wie drüben des Rheins, sich kurzfristig zu verständigen, die Druckvorlage (nur ein paar MB groß) zu übermitteln und hierzulande die Druckerpressen anzuwerfen? No way, dafür ist die Branche viel zu unbeweglich. Ein Armutszeugnis.