Kreis Germersheim: Tod einer 15-jährigen in Kandel – Stellungnahme der Kreisverwaltung

Germersheim – Stellungnahme der Kreisverwaltung Germersheim.


Die Kreisverwaltung Germersheim ist tief betroffen über die Tat des 15-jährigen Jugendlichen und wird alles tun, um an der Aufarbeitung des traurigen Ereignisses mitzuwirken. Dass es zu einer solchen Tat kommt, war nicht absehbar. Der Familie und den Freunden der Jugendlichen sprechen wir unser Beileid und tiefes Mitgefühl aus.

Der Jugendliche wurde im Mai 2016 dem Landkreis Germersheim vom Landesjugendamt als sog. unbegleiteter minderjähriger Ausländer (umA) zugewiesen. Im Landkreis Germersheim wurden seit 2016 nach dem sog. Königsteiner Schlüssel insgesamt 100 unbegleitete Minderjährige aufgenommen. Alle umA werden in Jugendhilfemaßnahmen (JH) betreut. Für alle JH-Maßnahmen liegen Betriebserlaubnisse des Landesjugendamtes vor.

Die Altersfeststellung des 15-jährigen erfolgte im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme durch das Jugendamt Frankfurt am 2. Mai 2016. Sowohl die Inaugenscheinnahme als auch das ärztliche Erstscreening sind dokumentiert, wobei eine Varianz von +/- 1 Jahr möglich ist. Eine Volljährigkeit wird derzeit von allen Beteiligten ausgeschlossen.

Der 15-jährige umA war von Mai 2016 bis September 2017 in einer Erstaufnahme-Einrichtung untergebracht und besuchte die Schule in Kandel. In der Erstaufnahme-Einrichtung im Landkreis Germersheim wurden die Stärken und Ressourcen, aber auch die Entwicklungsbedarfe des umA in einem Zeitraum von Mai 2016 bis September 2017 ermittelt. Aufgrund der erreichten Selbstständigkeit (z.B. Selbstversorgung, Schulbesuch) wurde ein Wechsel in eine betreute Wohngemeinschaft angestrebt.

Der Minderjährige wechselte im September 2017 in eine Einrichtung nach § 34 SGB VIII zu einem freien Träger in eine betreute Jugend-Wohngruppe außerhalb des Landkreises Germersheim. Diese bietet einen wesentlich kleineren, altersgerechten Rahmen (nur 4 Plätze) mit einer hohen Betreuungsdichte und wurde im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte als mittelfristige adäquate Hilfeform als notwendig (aufgrund des Beziehungsangebots und des kleinen Settings) und geeignet (aufgrund der Trainingsmöglichkeiten zur Verselbständigung) eingerichtet.

In dieser WG leben 4 Jugendliche, die von 3 Bezugserziehern versorgt und pädagogisch betreut werden. Die umA werden dort zusätzlich zum Schulbesuch mit insgesamt 40 Wochenstunden im Direktkontakt betreut. Daneben gibt es eine 24 Stunden am Tag/ 7 Tage die Woche – Rufbereitschaft durch die Betreuer für die Jugendlichen. Es handelt sich um ein übliches Konzept für Jugendliche ab 15 Jahren. Die WG hat eine Betriebserlaubnis durch das Landesjugendamt.

Trotz Wegzug aus dem Kreis wurde der umA nach wie vor in fallführender Zuständigkeit des Jugendamtes des Landkreises Germersheim (sowohl Allgemeiner Sozialer Dienst als auch Vormundschaft) betreut. Der umA blieb auch nach dem Wechsel in die neue Einrichtung unauffällig.

Maßnahmen des Jugendamtes nach Information durch Polizei

Das Jugendamt hat am 18.12. von der Polizei erfahren, dass der Jugendliche in eine körperliche Auseinandersetzung in der Schule verwickelt war und er Bilder, die persönliche Rechte verletzen könnten, auf seinem Handy habe.

Bei diesem Telefonat erfolgte auch Information über die Erstattung von Strafanzeigen, nicht jedoch mit dem Inhalt der Bedrohung des Mädchens. Darüber, dass das Mädchen direkt bedroht wurde, war weder der Vormund noch die Fall führende Sachbearbeiterin informiert.

Nach unserer Information kam dann die Polizei am 18.12. unangekündigt an die Schule und verwarnte den umA deutlich. Über eine direkte Bedrohung des Mädchens wurde nicht informiert. Zugleich wäre das Handy des umA eingezogen worden.

Die Information der Polizei zu den beiden Anzeigen führte am 19.12.2017 jugendamtsintern zu einer Einschätzung der Lage zwischen Allgemeinem Sozialen Dienst (ASD) und Vormund, sowie telefonischer Einbindung der Einrichtung.

Ergebnis der Einschätzung war, dass ergänzend zu der polizeilichen Maßnahme noch vor den Weihnachtsfeiertagen ein Gespräch zur aktuellen Situation in der Einrichtung mit ASD, Einrichtung und umA stattfinden müsse. Dies wurde für den 21.12.2017 vereinbart und auch so durchgeführt.

Am 21.12. fand in der Jugendhilfeeinrichtung in Neustadt ein Gespräch der Betreuerinnen und der fallführenden Mitarbeiterin des Jugendamtes mit dem Jugendlichen statt.

Bei diesem Gespräch wurden insbesondere die dem Jugendamt bekannten Inhalte der Anzeigen sowie mögliche Konsequenzen bei Nichteinhaltung besprochen.

Zur Überprüfung der im Gespräch vom 21.12.2017 getroffenen Vereinbarungen wurde ein weiteres Gespräch am 28.12.2017 festgelegt.

Auf der Grundlage der Erfahrungen, die mit dem umA seit der Betreuung durch das Jugendamt gemacht wurden, war zu diesem Zeitpunkt die polizeiliche Maßnahme, ergänzt durch das Gespräch mit den getroffenen Vereinbarungen mit dem Jugendamt aus fachlicher Sicht die geeignete Maßnahme, um auf die Situation angemessen zu reagieren. Das Ergebnis sollte eine Woche später überprüft werden.

Zu keiner Zeit gab es für die Mitarbeiter des Jugendamtes oder für die Mitarbeiter der Einrichtung Indizien, die dafür sprachen, dass man um Leib oder Leben des Mädchens fürchten müsse.

Die strafrechtlichen Ermittlungen sind Aufgabe der Staatsanwaltschaft, auf deren Arbeit wir vertrauen. Bei der Weitergabe von Informationen haben wir den Sozialdatenschutz zu beachten.