Rheinland-Pfalz: Via Mediæval – Musik und Räume des Mittelalters

„Reformationes“ – Reformationen VOR Luther und ihre Musik

Ars Choralis Coeln (Foto: Wolfgang Burat)
Ars Choralis Coeln (Foto: Wolfgang Burat)

Mainz – Die Reihe „Via Mediæval – Musik und Räume des Mittelalters“ lädt vom 9. September bis 8. Oktober 2017 ein, in einmaliger Kombination die Musik des Mittelalters in der Architektur ihrer Zeit zu erleben. Passend zum Kultursommer-Motto „Epochen und Episoden“ werden reformatorische Bewegungen in der Kirchengeschichte des 12. – 14. Jahrhunderts durch ihre Musik repräsentiert. So geht es bei den Konzerten dieser Reihe um gleich mehrere „Reformationes“.

Sie ist wirklich einzigartig – die kleine Konzertreihe des Kultursommers „Via Mediaeval“, die ausschließlich Musik des Mittelalters in romanischer Architektur im südlichen Teil unseres Landes präsentiert.

Dabei erzählen die Konzertprogramme in diesem Jahr von der Vorgeschichte „DER Reformation“, die mit dem Namen Martin Luther verbunden ist.

Einige der weltweit bedeutendsten Ensembles der Frühen Musik haben sich zu diesem Zweck mit dem Thema auseinandergesetzt: Reformatorische Bewegungen führten im 14. Jahrhundert u.a. zur Gründung der Prager Universität – eine Epoche, mit der sich die renommierte Schola Gregoriana Pragensis beschäftigt. Das Ensemble Gilles Binchois stellt die unerhörte Modernität der „Nova Cantica“ aus dem Frankreich des 12. Jh. vor. Die Zeit der Gegenpäpste von 1378–1417 hatte auch Auswirkungen auf die Musik, wie das Ensemble La Morra zeigen wird. Im 14. und 15.Jh. entstanden mit der Beginen-Tradition auch neue Formen geistlicher Dichtung, die von Ars Choralis Coeln interpretiert werden. Und die volkssprachliche Liturgie der Hussiten wird vom Tiburtina-Ensemble aus Tschechien präsentiert. Neue Ideen führten immer auch zur Zerstörung von Kulturgut. Einiges davon ist in Fragmenten erhalten. Ensemble Ordo Virtutum hat sich zur Aufgabe gemacht, diese Schätze zu heben und ihnen wieder neues Leben einzuhauchen. (Gerade erst hat sich SWR2-Wissen eine ganz Radio-Woche lang diesem Thema gewidmet.)

Zum Abschluss der Reihe finden drei Konzerte und zwei Workshops zu Antonio Zacara, einem Vorreiter früher europäischer Musik, in Kooperation mit dem Festival „wunderhoeren“ in Worms statt.

An fast allen Orten finden 90 Minuten vor dem Konzert kostenfreie Führungen statt.

Schola Gregoriana Pragensis
Schola Gregoriana Pragensis

Die Konzerte:

( *** kostenfreie Kirchenführung 90 Minuten vor Konzertbeginn)

Sa. 9. September, 20 Uhr | 67697 Otterberg, Abteikirche ***
Schola Gregoriana Pragensis (CZ) | Musik aus der Zeit Karls IV.
In Böhmen und Mähren finden sich bereits im Mittelalter reformatorische Bewegungen: Kaiser Karl IV. (1316–1378) stößt selbst vielfältige Neuerungen an, in deren Folge sich eine spirituelle und kulturelle Blüte entfaltet. Die renommierte Schola Gregoriana Pragensis präsentiert in der ehemaligen Zisterzienser-Abteikirche Otterberg einen Querschnitt durch das mittelalterliche geistliche Repertoire Böhmens.

So.10. September, 17 Uhr | 76889 Klingenmünster, Kloster ***
Ensemble Gilles Binchois (FR) | Nova Cantica
Das Ensemble Gilles Binchois lässt Musik erklingen, die nach dem Gregorianischen Choral eine Epoche unerhörter Modernität einläutet: Ein- und mehrstimmige Vertonungen lateinischer Dichtung aus den geistigen Zentren dieser Zeit, wie Saint-Martial de Limoges oder Le Puy-en-Velay. Diese „Neuen Liedern“ des 12. Jahrhunderts sind Ausdruck eines geistigen Aufbruchs, der sich im weltlichen Bereich auch in der Dichtung der Troubadours niederschlägt.

Fr. 15. September, 19.30 Uhr | 66500 Hornbach, St. Fabianstift ***
La Morra (CH) | Fiat Unitas – Resonanzen des großen Schismas
Das Kirchenschisma von 1378–1417, die große Verwerfung innerhalb der spätmittelalterlichen Kirche, hatte auch weitreichende Auswirkungen auf die Komponisten dieser Zeit. Auf den Konzilien trafen Musiker verschiedener nationaler Stile Europas aufeinander, was den Weg für die kompositorische Entwicklung der folgenden Jahrhunderte bereitete. Das Ensemble La Morra sing und spielt Musik, die mit dem großen Kirchenschisma in Beziehung steht.

So., 17. September, 20 Uhr | 67346 Speyer, Krypta im Dom
Ensemble Ordo Virtutum (DE)
Fragmentum – Auf der Suche nach dem verlorenen Klang
Die Reformation im 16. Jahrhundert zog die Aufhebung vieler Klöster nach sich. Der über Jahrhunderte gepflegte liturgische Gesang hatte keine Verwendung mehr. Das wertvollen Noten- Pergament wurden jedoch nicht einfach entsorgt, sondern zerschnitten und als Einbände für Akten „recycelt“. Ensemble Ordo Virtutum hat sich zur Aufgabe gemacht, diese Schätze zu heben, zu rekonstruieren und ihnen wieder neues klangliches Leben einzuhauchen. In der Krypta des Speyrer Doms erklingen diese musikalischen „Nebenwirkungen“ der Reformation.

So., 24. September, 17 Uhr | 76857 Eußerthal, ehem. Zisterzienserkirche ***
Ars Choralis Coeln (DE) | Devotio Moderna
Ein vertieftes Frömmigkeitsideal zog im 14. und 15. Jahrhundert immer mehr Frauen an. Die Frauenklöster rechten nicht mehr aus und so pflegten die so genannten „Beginen“ eine eigene Form des religiösen gemeinschaftlichen Lebens. In ihrer Musik mischen sich ältere mittelalterliche Praktiken mit den mystischen Strömungen ihrer Zeit. Ars Choralis Coeln präsentiert einen Querschnitt durch diese Gesänge der „Devotio Moderna“.

So., 1. Oktober, 17 Uhr | 67595 Bechtheim, St. Lambertus ***
Tiburtina-Ensemble (CZ) | Hört, Soldaten Gottes!
Die erste Reformationsbewegung in Böhmen um Jan Hus, der 1415 auf dem Konstanzer Konzil verbrannt wurde, führte zur Hussitischen Bewegung. Mit ihr einher geht eine neue, auch volkssprachliche liturgische Musikausübung. Das Tiburtina-Ensemble aus Tschechien stellt Ausschnitte aus dieser wenig bekannten Gesangstradition vor.

Fr. 6. – So. 8. Oktober | 67547 Worms, Liebfrauenkirche, St. Martin, Dom
Zacara-Triduum | Konzerte und Workshops mit den Ensembles Leones (DE), Micrologus (IT), Currentes (NO) in Kooperation mit dem Festival „wunderhoeren“ Antonio Zacara da Teramo (+ 1416) gilt als einer der führenden Vertreter europäischer Musik zur Zeit des Großen Abendländischen Schismas. Die internationale Dimension dieses außer- gewöhnlichen Komponisten, der erst in jüngerer Zeit von Musikwissenschaftlern neu entdeckt wurde, hat drei namhafte Ensembles für mittelalterliche Musik dazu bewegt, ihre Erfahrungen anlässlich Zacaras 600. Todestags zu einem ambitionierten Projekt zu vereinen.
Nach Italien und Norwegen ist dieses besondere Konzertwochenende erstmals und einmalig in Deutschland zu hören.
Konzerte:
Ensemble Micrologus Fr. 6. Oktober 19.00 Uhr Einführung 18.00 Uhr Liebfrauenkirche Ensemble Leones Sa. 7. Oktober 19.00 Uhr Einführung 18.00 Uhr Kirche St. Martin Ensemble Currentes So. 8. Oktober 17.00 Uhr Einführung 16.00 Uhr Wormser Dom
Zwei Workshops für mittelalterliche Zupf- und Streichinstrumente sowie Gesang und Ensemblespiel ergänzen das Programm:
Sa., 7. Oktober, 10.00-12.00 Uhr Workshop „Rosetta Iˮ mit Baptiste Romain So., 8. Oktober, 10.00-12.00 Uhr Workshop „Rosetta IIˮ mit Marc Lewon Info & Tickets: www.wunderhoeren.de

Infobox:

Via Mediæval – Musik und Räume des Mittelalters 9. September bis 8. Oktober
Info: www.via-mediaeval.de
Tickets: 20110.reservix.de
Hotline: 01805 – 700733