Mannheim – Einen ungewöhnlichen Ausflug in die Zeitgeschichte erlebten die Besucher des Capitols am vergangenen Samstag (04.02.2017). Vor rund 200 Jahren erfand der Mannheimer Karl Drais seine „Laufmaschine“ und das nahm das Ensemble des Capitols zum Anlass für ein eigenes Musical. „Karl Drais – die treibende Kraft“, so der Titel des Stückes, gab tiefe Einblicke in diese Jahre, die von Hunger und Not geprägt war.

Szene des Musicals (Foto: René van der Voorden)
Szene des Musicals (Foto: René van der Voorden)

Frühjahr 1817 – die Stimmung in der Stadt ist angespannt: Deutschland leidet seit Jahren unter Missernten und im Sommer 1816 schneit es im Sommer. Die Getreide- und Brotpreise steigen ins Unermessliche, Pferde werden – um Getreide zu sparen – getötet, notgeschlachtet und gegessen. Das Transportsystem droht zusammenzubrechen. Entlassungen und Rationierungen treiben Hungerrevolten durch die Städte. Was niemand weiß und keiner ahnt, der Ausbruch des Vulkans Tambora auf den indonesischen Sunda-Inseln verursacht mit seiner riesigen Stauberuption eine Klima-Katastrophe, die die europäischen und amerikanischen Staaten an den Rand des Abgrundes führen.

In Mannheim zerbricht sich Karl Drais den Kopf darüber, wie er mit einer Erfindung das Elend der Menschen mildern kann. Genau wie sein obrigkeitshöriger Vater, war er Beamter im Staatsdienst. Doch als Forstbeamter hatte er eher kein Talent, sondern dem Erfinden von technischen Dingen hatte er sich verschrieben. Nicht etwa die Wissenschaft war sein Metier, sondern eher das praktische Tüfteln in der Werkstatt. Die beiden Erzähler Rino Galiano und Hanna Gandor, die sich unspektakulär in das Bühnenbild einordneten, gelang es die Beachtung der Zuschauer ständig zu unterhalten, wenn gerade mal eine Atempause auf der Bühne angesagt war.  Mit ihrer witzigen – auch mal zweideutigen Art, gaben sie jeweils einen Überblick, was gerade damals so in der Welt geschah und der Zuschauer war somit immer auf Höhe der Zeit. Die Geschichte spielt im Haus der Familie Drais. Karl, gespielt von Tim Al-Windawe, verkörperte einen jungen Mann, der voller Begeisterung seinen technischen Ideen folgen will. Während sein Vater (Rainer Kleinstück), ein großherzoglicher Beamten höchsten Ranges, hiervon nichts hielt, gelang es ihm, seine Schwester (Beatrix Reiterer) voll zu begeistern. Zusammen haben sie Ideen, tauschen sich aus und am Schluss ist das Laufrad fertig. „Was ist die treibende Kraft dieser Welt“, wurde mehrmals an dem Abend gefragt oder gesungen. Die drei Künstler beherrschten nicht nur ihre Rolle im Spiel, sondern boten den Zuschauern einige sehr eindrucksvolle Lieder, in denen das Handeln sich wieder spiegelt. An Klasse sollte es n dem Abend zu keiner Zeit fehlen. Und da war noch die Dienstmagd Agathe. In diese Rolle schlüpfte bei dem Musical Marion La Marché, die an dem Abend zum Publikumsliebling wurde. Schauspielerisch beherrschte sie ihre Rolle Bravour und sobald sie anfing „Monnemerisch“ zu erzählen oder zu singen, tobte das Publikum. Sie verkörperte  authentisch an diesem Abend die Rolle der einfachen Menschen in jener Zeit, als Goethe noch lebte.

Foto: René van der Voorden
Foto: René van der Voorden

Nach einigen erfolglosen Versuchen gelang es schließlich Karl Drais sein Laufrad zu entwickeln. Somit konnten die Menschen die Reisezeit deutlich verkürzen und schließlich nahm das Zweirad im wahrsten Sinne des Wortes Fahrt auf.

Im zweiten Teil ging es darum, wie Karl Drais seine Erfindung vermarkten will und an fehlenden Patentrechten schließlich den erhofften Erfolg nicht erzielen ließ. Überall waren Wagenbauer damit beschäftigt, das Laufrad nachzubauen, ohne einen Obolus an den Erfinder abzugeben.

Neben den beeindruckenden Stimmen, waren auch einige Musiker im Hintergrund auf der Bühne. Sebastian Henzl (Piano), Thilo Zirr (Gitarre) und Nora Klaus (Cello) gelang es schon fast unspektakulär die musikalischen Akzente gekonnt zu spielen.

Georg Veit, künstlerischer Leiter des Capitol Mannheim, für Buch und Regie verantwortlich, verknüpft die Persönlichkeit Karl Drais mit den Zeitläuften zu einer emotionalen Geschichte und einem hochdramatischen Bühnengeschehen. Michael Herberger, Produzent der „Söhne Mannheims“ und Xavier Naidoos, verleiht dem Musiktheater mit den eigens komponierten Songs den notwendigen „treibenden“ Puls. Rino Galiano, Mannheimer Schauspieler, Sänger und Multitalent, hat mit prägnanten Songtexten Zeitstimmung und den Geist der Innovation einfangen.

Das Publikum war begeistert und erst nach einigen Zugaben konnten die Künstler die Bühne verlassen.


Weitere Vorstellungen sind am

  • Sonntag, den 05.03.2017 um 19 Uhr
  • Samstag, den 22.04.2017 um 20 Uhr