Lorsch: Regierungspräsidentin übergibt Planfeststellungsbeschluss für Zusammenlegung von Alter und Neuer Weschnitz

Darmstadt / Lorsch – Die Darmstädter Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid hat am 18. Januar 2017 den Planfeststellungsbeschluss des RP für die Zusammenlegung von Alter und Neuer Weschnitz im Polder Lorsch vor Ort an Landrat Christian Engelhardt, den Verbandsvorsteher des Gewässerverbandes Bergstraße, übergeben.  Gleichzeitig wurde der Gewässerverband vom Regierungspräsidium offiziell damit beauftragt, das Projekt umzusetzen. Das Land Hessen stellt dem Gewässerverband für den Bau der vereinigten Weschnitz Mittel in Höhe von 3,2 Millionen Euro zur Verfügung.

Die Idee für die Renaturierung der Weschnitz-Insel von Lorsch wird seit vielen Jahren vom Gewässerverband Bergstraße, der Stadt Lorsch und den vor Ort tätigen Naturschutzverbänden verfolgt. Die Regierungspräsidentin hatte das Renaturierungsprojekt erstmals bei einem Vor-Ort-Termin 2014 der Öffentlichkeit vorgestellt. Zwischenzeitlich hat der Gewässerverband Bergstraße die Genehmigungsunterlagen für das Projekt einschließlich der dafür notwendigen Pläne und Gutachten erarbeitet. „Mit unserem wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss haben wir jetzt einen entscheidenden Meilenstein erreicht“, freute sich Brigitte Lindscheid.

Das Renaturierungsprojekt ist in Südhessen eines der größten seiner Art. Da die Maßnahme sowohl dem Naturschutz, als auch der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) dient, wird sie zu 100 Prozent vom Land Hessen finanziert. Um einen „guten ökologischen Gewässerzustand“ nach der WRRL zu erreichen, sollen die Gewässerabflüsse, die bisher in den Hochprofilen der eingedeichten und kanalisierten Gewässerstrecken von Alter und Neuer Weschnitz abfließen, auf etwa 3 Kilometern Länge zusammengelegt werden und in dem Gelände frei mäandrieren können.

Gleichzeitig soll sich die Situation für die Brut- und Rastvogelarten im Bereich des Naturschutzgebietes „Weschnitzinsel von Lorsch“, das Teil des europäischen Schutzgebietssystems Natura 2000 ist, verbessern. Das Regierungspräsidium erhofft sich unter Anderem eine Wiederansiedlung des Großen Brachvogels, der einst zu den charakteristischen Arten des Schutzgebietes zählte. Von dem Projekt werden außerdem zahlreiche in der Weschnitz nachgewiesene Rote-Liste-Arten (Groppe, Neunauge, Aal, Forelle, Barbe, Steinbeißer, Hasel, Nase) profitieren.

Ziel des Renaturierungsprojektes ist zudem, gezielt Kompensationsmaßnahmen in das Gebiet zu lenken, um so die Inanspruchnahme hochwertiger landwirtschaftlicher Flächen außerhalb der Schutzgebietskulisse zu minimieren. Die mit der Renaturierung verbundene naturschutzfachliche Aufwertung von Flächen, die an die vereinigte Weschnitz angrenzen, soll im Rahmen eines Ökokontos bilanziert werden. Diese stehen damit zur Kompensation von Eingriffen andernorts in Verfügung.

Zum Hintergrund:

Natura 2000 ist der Name eines europaweiten Schutzgebietsnetzes aus EU-Vogelschutzgebieten und Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH-Gebieten). Es kann sich mit anderen Schutzgebieten ganz oder teilweise überlagern. Das seit 1979 ausgewiesene Naturschutzgebiet „Weschnitzinsel von Lorsch“ ist gleichzeitig FFH-Gebiet und Teil des EU-Vogelschutzgebietes „Hessische Altneckarschlingen“. Als letzter großer zusammenhängender Grünlandzug zwischen dem Rhein-Main-Gebiet und der Rhein-Neckar-Region besitzt das Gebiet eine überregionale Bedeutung für rastende Vogelarten (z.B. Kraniche, Kiebitze). Der Erhaltungszustand der Brutvogelarten ist jedoch aufgrund der fehlenden Auenflächen und des hohen Störpotenzials gegenwärtig als ungünstig einzustufen, so dass das Land Hessen verpflichtet ist, weitere Schutzanstrengungen zu unternehmen. Mit dem Renaturierungsprojekt „Weschnitzinsel“ wird für die bis jetzt in ausgeprägt naturfernen Hochprofilen fließende Weschnitz in der Rheinebene ein sehr wichtiger Trittstein und „Strahlursprung“ für eine gute Gewässerbiozönose geschaffen.

Gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) muss bis spätestens 2027 der „gute ökologische Zustand“ in Gewässern hergestellt sein. Hierfür ist in Hessen vorgesehen, bei mindestens einem Drittel aller Gewässerstrecken den guten sogenannten morphologischen Zustand herzustellen (bzw. zu sichern). Gewässerstrecken mit einem guten morphologischen Zustand sollen mit naturnahen Sohlen- und Uferstrukturen den Fischen, Kleinlebewesen und Pflanzen im Gewässer (der Gewässerbiozönose) einen so guten Lebensraum bieten, dass diese Gewässerstrecken als Trittstein und „Strahlursprung“ für eine gute Gewässerbiozönose in dem gesamten Gewässer fungieren kann.