Heidelberg – Der 16-jährige Mohammad* aus Afghanistan ist einer von rund 100 sogenannten unbegleiteten minderjährigen Ausländern (kurz: UMA) in Heidelberg.

Wie viele andere Jugendliche hat er ohne Eltern einen Fluchtweg von vielen tausend Kilometern bewältigt, um in Deutschland ein neues Leben zu beginnen.

Durch das Projekt „PaminAH – Paten für minderjährige Ausländer in Heidelberg“ ist es jetzt gelungen, einen ehrenamtlichen Paten für Mohammad zu finden. Er soll ihn dabei unterstützen, in Heidelberg Fuß zu fassen und Perspektiven für sein Leben fernab der Heimat zu entwickeln.

„PaminAH“ ist seit 1. Juni 2016 in Heidelberg am Start. Das Projekt ist eine Kooperation der Stadt Heidelberg mit der Jugendagentur Heidelberg. Es ist als Mentoring-Projekt konzipiert, bei dem ein erfahrener Mentor einen jugendlichen Mentee individuell unterstützt und wie ein Pate begleitet. Finanziell ermöglicht wurde das Projekt durch die Aktion „HD hilft!“ der Heidelberger Serviceclubs, bei der Heidelberger Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen von Oktober 2015 bis Januar 2016 insgesamt 110.000 Euro für unbegleitete minderjährige Kinder und Jugendliche auf der Flucht gespendet hatten. 20.000 Euro davon fließen in das Projekt „PaminAH“.

„Das Patenprojekt soll einen zusätzlichen Beitrag leisten, der über die Unterstützung der Jugendhilfe und der Schule hinausgeht“, sagt Myriam Feldhaus, Leiterin des Kinder- und Jugendamtes der Stadt Heidelberg. „Im Mittelpunkt steht die Eins-zu-eins-Begleitung und individuelle Förderung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern durch ehrenamtliche Mentoren, insbesondere in den Bereichen Bildung und Berufsorientierung. Die wäre allein mit den Ressourcen der Jugendhilfe nicht machbar“, so Feldhaus. „Die Unterschiede sind hier sehr groß“, weiß die Jugendamtsleiterin. „Manche Jugendlichen haben keine Schule in ihrem Herkunftsland besucht oder nur wenige Jahre. Andere haben eine sehr gute schulische Vorbildung und sprechen sogar eine zweite Fremdsprache.“

Koordiniert wird das Patenprojekt im Auftrag der Stadt Heidelberg von der Jugendagentur Heidelberg. Hier ist Pädagogin und Supervisorin Doris Fischer die Schnittstelle zwischen Stadt, Paten und UMA. Sie kümmert sich um die Auswahl geeigneter Ehrenamtlicher, spricht mit den Vormündern der UMA und sorgt dafür, dass aus Mentor und Mentee funktionierende „Tandems“ werden. Die Jugendagentur setzt dabei ihr Know-how und ihre Netzwerke im Übergangsmanagement Schule-Beruf ein. „Die Ehrenamtlichen brauchen in diesem anspruchsvollen Feld professionelle Strukturen im Rücken. Die koordinierende Fachstelle unterstützt sie mit Know-how zum Thema Flucht und Migration sowie Schule und Beruf und bietet eine kontinuierliche Begleitung“, erklärt Fischer. Die sei gerade dann wichtig, wenn Mentoren mit schwierigen oder belastenden Situationen konfrontiert würden.

Dr. Wolfgang Reh begrüßt diese Unterstützung. Der Mathematiker, der vor seiner Pensionierung eine Führungsposition bei einem internationalen Pharmaunternehmen hatte und derzeit als Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg tätig ist, ist seit kurzer Zeit Pate des 16-jährigen Mohammad. „Ich möchte einen ganz konkreten Beitrag zur Integration leisten und meine Kompetenzen einbringen“, sagt der 65-Jährige. „Mir macht es Spaß, mit Jugendlichen zu arbeiten und Perspektiven zu entwickeln“. Unterstützen kann er vor allem, wenn es darum geht, Deutsch und Mathe zu lernen, sich im Alltag zurechtzufinden, aber auch bei der Suche nach Praktika, um sich an einen Beruf heranzutasten. Mohammad hat dazu konkrete Vorstellungen. „Ich will im medizinischen Bereich arbeiten“, sagt der 16-Jährige, der seit Januar in Heidelberg ist und bereits gut Deutsch spricht. Mohammad wohnt in einer Jugendhilfeeinrichtung im Stadtgebiet und geht in eine sogenannte VAB-O-Klasse (Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf für Jugendliche) der Marie-Baum-Schule. Hier will er zunächst den Hauptschulabschluss machen. Mit seinem Mentor hat er seit Mitte Juli Kontakt. So haben sie bereits das Technoseum besucht und Mohammad hat beim Gang durch die Ausstellung mit Unterstützung durch seinen Mentor neue Begriffe aus der Technik kennengelernt.

„Dass wir mit unserem Spendenprojekt HD hilft! hier ganz konkrete Unterstützung in Heidelberg leisten können, war unser Wunsch und Ziel“, erklärt Mario Lehmann vom Lions Club Heidelberg-Altstadt, der Mitinitiator des Spendenprojekts war. „Es ist uns gelungen, Menschen nachhaltig zu motivieren, sich für eine gelingende Integration dieser Kinder und Jugendlichen zu engagieren. Das Projekt PaminAH ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass sich das einzigartige Engagement der Service-Clubs voll und ganz gelohnt hat“.

Ziel der Jugendagentur ist es, bis Dezember zehn Tandems zu haben. Bis Juni 2017 sollen es doppelt so viele sein. „Ehrenamtliche, die sich vorstellen können, einen Jugendlichen individuell zu begleiten, sind herzlich willkommen, sich zu melden“, sagt Doris Fischer. Zwei Stunden pro Woche sollten sich Mentor und Mentee treffen.

Hintergrund:

Derzeit werden durch das Kinder- und Jugendamt der Stadt Heidelberg rund 100 unbegleitete minderjährige Ausländer betreut und versorgt. Sie kommen überwiegend aus Afghanistan und Syrien. Ein Großteil ist zwischen 15 und 17 Jahre alt. Etwa 60 Jugendliche leben in Heimen oder betreuten Wohnformen, nur wenige in Pflegefamilien. 40 Jugendliche befinden sich im Rahmen der landesweiten Verteilung in der Inobhutnahmeeinrichtung in Patrick Henry Village.

Für die unbegleiteten Kinder und Jugendlichen besteht Schulpflicht, ein Großteil besucht ein berufsvorbereitendes Bildungsangebot (VAB-O-Klasse) an einer beruflichen Schule in Heidelberg. Nachhilfe und Alphabetisierungskurse sind häufig notwendig, werden aber über die reguläre schulische Ausbildung nicht abgedeckt.