Bad Dürkheim: Vietnamesische Staatsangehörige wehrt sich mit Erfolg gegen Schließung ihrer Gaststätte wegen unzureichender Deutschkenntnisse

Verwaltungsgericht in Neustadt an der Weinstraße
Verwaltungsgericht in Neustadt an der Weinstraße

Bad Dürkheim / Neustadt an der Weinstraße – Die Stadt Bad Dürkheim hat gegenüber einer vietnamesischen Staatsangehörigen zu Unrecht die Schließung ihrer Gaststätte wegen unzureichender Deutschkenntnisse angeordnet. Das hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt a.d. Weinstraße mit Beschluss vom 14. Juni 2016 entschieden.

Die aus Vietnam stammende Antragstellerin, die in der Innenstadt von Bad Dürkheim ein asiatisches Schnellrestaurant betreibt, verfügt über eine Aufenthaltserlaubnis, die ihr das Nachgehen einer selbständigen Tätigkeit gestattet. Im Mai 2015 und Januar 2016 erteilte die Antragsgegnerin, die Stadt Bad Dürkheim, der Antragstellerin jeweils eine vorläufige Erlaubnis zum Betreiben der Gaststätte. Zuletzt bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin ihre deutschen Sprachkenntnisse zu verbessern. In der Folgezeit legte die Antragstellerin eine Bescheinigung der Volkshochschule Bad Dürkheim vor, ausweislich derer sie für die Sprachkurse „Deutsch als Fremdsprache für Anfänger“ und „Deutsch I“ angemeldet war.

Mit Bescheid vom 10. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer unbefristeten Gaststättenerlaubnis ab und verfügte die Schließung der Gaststatte mit Ablauf des 31. Mai 2016 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit der Begründung, die Antragstellerin sei der deutschen Sprache nicht mächtig und könne ausschließlich durch Hinzuziehen von Freunden kommunizieren. Ohne Deutschkenntnisse fehle es aber bereits an den „Grundbausteinen“ zum Betreiben eines Gewerbes. Aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse sei die Antragstellerin nicht in der Lage, ein Gewerbe zu betreiben und besitze daher nicht die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit.

Hiergegen hat die Antragstellerin Widerspruch eingelegt und zugleich am 27. Mai 2016 um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz mit der Begründung nachgesucht, die Antragsgegnerin nehme zu Unrecht an, dass sie, die Antragstellerin, die erforderliche gaststättenrechtliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Bisher habe es keinerlei Beanstandungen gegeben, weder aus Behörden- noch aus Kundensicht. Es sei nicht plausibel, dass die Allgemeinheit vor ihren unzureichenden Deutschkenntnissen geschützt werde solle. Sie bediene sich in ihrem Betrieb der Hilfe ihrer Arbeitskräfte. Die Bedienungen sprächen gut Deutsch und könnten problemlos die Bestellungen der Gäste aufnehmen.

Die 4. Kammer des Gerichts hat dem Eilantrag stattgegeben. Zur Begründung haben die Richter ausgeführt:

Die Anordnung der Betriebsschließung sei ermessensfehlerhaft ergangen. Ausschließliches Kriterium für die angeordnete Schließung der Gaststätte seien für die Antragsgegnerin die mangelnden Deutschkenntnisse der Antragstellerin gewesen, die die gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit der Antragstellerin zur Folge hätten. Diese Auffassung teile die Kammer jedoch nicht.

Das Gaststättenrecht stelle ebenso wie das allgemeine Gewerberecht grundsätzlich keine Anforderungen an deutsche Sprachkenntnisse. § 1 der Gewerbeordnung gestatte Ausländern aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union ebenso wie deutschen Staatsangehörigen und EU-Bürgern den Betrieb eines Gewerbes in Deutschland. Ob die Betreffenden dazu einer ausländerrechtlichen Erlaubnis bedürften, bestimme sich nach der Art der unternehmerischen Aktivität in Deutschland. Die Antragstellerin verfüge über eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit und müsse daher den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes der zuständigen Behörde grundsätzlich nur anzeigen. Zwar sehe die Gewerbeordnung für bestimmte gewerbliche Tätigkeiten eine Erlaubnispflicht vor. So müssten Gewerbetreibende, die im Bewachungsgewerbe tätig sein wollten, über die für die Ausübung des Gewerbes notwendigen rechtlichen Vorschriften unterrichtet worden sein. Diese Unterrichtung erfolge mündlich und die zu unterrichtende Person müsse über die zur Ausübung der Tätigkeit und zum Verständnis des Unterrichtungsverfahrens unverzichtbaren deutschen Sprachkenntnisse verfügen. Das Gaststättengesetz verlange demgegenüber in keiner Vorschrift ausdrücklich Kenntnisse der deutschen Sprache als unabdingbare Voraussetzung für die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis. Zwar müsse der Gewerbetreibende vor Aufnahme des Gaststättenbetriebs über die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden sein. Die Unterrichtung erfolge auch hier mündlich. Allerdings sei die Zuziehung eines Dolmetschers zulässig. Dies unterstreiche, dass mangelnde Deutschkenntnisse nicht ausreichend seien, um die Ausstellung einer Gaststättenerlaubnis zu versagen. Vorliegend habe die Industrie- und Handelskammer Pfalz der Antragstellerin bescheinigt, dass sie über die Grundzüge der für den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden sei und mit ihnen als vertraut gelten könne.

Die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin könne auch nicht damit begründet werden, diese sei wegen ihrer nicht ausreichenden Deutschkenntnissen nicht in der Lage, ihr Geschäft selbst zu betreiben und auf eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung tätig zu werden. Es seien weder Steuerrückstände noch lebensmittelrechtliche Verstöße aktenkundig. Es stehe der Antragstellerin auch frei, als selbständig Gewerbetreibende sich der Hilfe Dritter z.B. beim Einkauf, beim Kochen oder bei der Bestellung in der Gaststätte zu bedienen. Soweit die Antragsgegnerin auf mögliche Verständigungsprobleme mit Kunden etwa bei der Bestellung von Speisen in ihrer Gaststätte hingewiesen habe, rechtfertige dies ebenfalls nicht die Annahme einer Unzuverlässigkeit. Die Antragstellerin habe hierzu unwidersprochen vorgetragen, die Bedienungen sprächen gut Deutsch und könnten problemlos die Bestellungen der Gäste aufnehmen. Die Antragsgegnerin könne diesbezüglich die Gaststättenerlaubnis der Antragstellerin gegebenenfalls mit einer Auflage versehen, während der Öffnungszeiten der Gaststätte sicherzustellen, dass jederzeit deutsch sprechendes Personal anwesend zu sein habe. Es sei aber gewerberechtlich unverhältnismäßig, von der Antragstellerin zu verlangen, als für die Gaststätte Verantwortliche selbst über ausreichende Deutschkenntnisse zu verfügen, um eine erlaubnispflichtige Gaststätte betreiben zu dürfen.

Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.

Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 14. Juni 2016 – 4 L 403/16.NW –