Heidelberg – Unter dem Titel „Leben vor unserer Haustür“ entstand 2014 ein neues Areal für die Waschbären im Zoo Heidelberg. In unmittelbarer Nachbarschaft zu Feldhamstern, Wanderratten, verschiedenen heimischen Vogelarten und Bienen bewohnen die ursprünglich in Nordamerika beheimateten, nun aber auch in Deutschland ansässigen „Neubürger“ das 540 Quadratmeter große Areal.

Der Zoo informiert über invasive Arten in Deutschland und weist auf die daraus resultierende Bedrohung für die heimische Tierwelt hin. Der Waschbär ist ein populäres Beispiel: Kaum ein anderes Tier rückt dem Menschen so auf die Pelle wie dieser Kleinbär. Wenig bekannt ist jedoch, dass sich mittlerweile schon über 260 „Neubürger“ (Neozoen) in Deutschland etabliert haben, die teilweise gravierenden Schaden in der Flora und Fauna anrichten.
Mit dem Europäischen Nerz zog nun ein Vertreter der „Verliererseite“ in den Zoo Heidelberg.

Ursprünglich fast überall in Europa beheimatet, gilt das kleine Raubtier nun als stark gefährdet. Sein attraktives Fell machte den Europäischen Nerz zum begehrten Jagdobjekt, wodurch die Population in Europa immer mehr dezimiert wurde. Lediglich in einigen Regionen Frankreichs, Weißrusslands und Spaniens sowie im Donaudelta in Rumänien, Estland und Russland leben noch vereinzelt Europäische Nerze. Vor rund 100 Jahren verschwand der Nerz aus Deutschland. Zu starke Bejagung und der Verlust natürlicher Gewässer hatten ihn an den Rand der Ausrottung gebracht. In den 1920er Jahren kamen mit den ersten Nerzfarmen auch die ersten amerikanischen Nerze, die Minke, nach Europa. Durch mangelnde Sicherung entkamen einige Tiere und übernahmen die letzten Lebensräume ihrer verdrängten Verwandten.

Als in den 1990er Jahren radikale Tierschützer mit spektakulären Aktionen begannen, tausende Minke aus Nerzfarmen zu befreien, standen die Weichen auf Invasion. Auch wenn die meisten der freigelassenen Tiere die ersten Tage nicht überlebten, da sie beispielsweise Autos oder Hunden zum Opfer fielen, fanden zahlreiche überlebende Tiere an den Ufern deutscher Bäche und Seen, der ehemaligen Heimat des Europäischen Nerzes, ein neues Zuhause.

Die Problematik der eingebrachten neuen Bewohner offenbarte sich im Rahmen von Projekten zur Wiederansiedlung des Europäischen Nerzes in Deutschland. Die größeren und aggressiven nordamerikanischen Nerze verjagen die europäische Verwandtschaft aus ihren eigenen Habitaten. Der Kampf ist jedoch noch nicht verloren. Beispielhaft ist die Beteiligung von EuroNerz e. V. am Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) für den Europäischen Nerz. Ziel ist nicht nur, den Bestand in Menschenhand zu erhalten, sondern in Zusammenarbeit und mit Unterstützung von Zoos eine Erhaltungszucht und damit eine Gründerpopulation für Wiederansiedlungen in geeigneten Lebensräumen zu schaffen.

Europäischer Nerz (Foto: Zoo Heidelberg)
Europäischer Nerz (Foto: Zoo Heidelberg)

Der Zoo Heidelberg unterstützt dieses Projekt tatkräftig, indem er die Europäischen Nerze der Öffentlichkeit vorstellt. Die Lebensbedingungen für den Europäischen Nerz im Zoo Heidelberg sind optimal. Der kletterfreudige und wasseraffine Vertreter der Marder findet in seinem neuen Zuhause alles, was er für ein abwechslungsreiches Leben benötigt und das Zusammenleben des ersten, männlichen Nerzes mit den Waschbären scheint hervorragend zu funktionieren. Bleibt es dabei, wird das erste tragende Weibchen einziehen, um ihre Jungtiere im Zoo Heidelberg großzuziehen. Für die Ansiedlung eines neuen Bestandes an ausgewählten geeigneten Standorten werden in den nächsten Jahren noch viele Tiere benötigt, um eine starke Gründerpopulation zu schaffen.

„Gelingen kann diese wichtige Aufgabe jedoch nur, wenn die Bedingungen im Lebensraum stimmen“,

erklärt Zoodirektor Dr. Klaus Wünnemann.

„Wir möchten und müssen darüber aufklären, welche große Bedrohung für unsere Tier- und Pflanzenwelt von invasiven Arten ausgehen kann. Der Europäische Nerz ist das gefährdetste Säugetier Deutschlands und ist im restlichen Europa kaum noch vertreten. Hauptaufgabe ist es nun, dafür Sorge zu tragen, dass noch bestehende mögliche Lebensräume erhalten werden, um einem Gelingen eine Chance zu geben“.

Wünnemanns Appell richtet sich auch an die Politik.

„Es ist höchste Zeit, sinnvolle Strategien zum Umgang mit bereits etablierten Neozoen zu erarbeiten. Es steht nicht weniger als der Erhalt der biologischen Vielfalt auf dem Spiel“.

Auch wenn der weitere Kampf nicht einfach wird, gibt es bereits einen kleinen, jedoch sensationellen Erfolg durch den Verein EuroNerz. Ein im Jahr 2010 gestartetes Auswilderungsprojekt hat nachweislich Früchte getragen: Erste Fotos von im Freiland gezeugten und geborenen Europäischen Nerzen am Steinhuder Meer geben große Hoffnung für eine Wiederansiedlung dieser seltenen heimischen Tiere in Europa.

Eine gute Gelegenheit, sich über invasive Arten und Artenvielfalt zu informieren und dabei noch einen Blick auf den neuen Bewohner zu erhaschen, bieten Informationsveranstaltungen zum „Tag der Artenvielfalt“ am 3. und 5. Juni und am Artenschutztag am 3. Juli im Zoo Heidelberg.