Böhmermann-Affäre: Der Kurs der Kanzlerin und die völlig falsche Entscheidung

Kanzlerin Merkel gibt eine Erklärung zur heutigen Entscheidung ab (Symbolbild)

Nun hat die Kanzlerin mal wieder gezeigt, was sie unter regieren versteht. Voreilig ein Statement über den Sprecher verkünden lassen um in diesem Fall den Türken ja nicht zu verstimmen. Und die Hoffnung zu haben, das der irgendwie besänftigt ist und Ruhe gibt. Nur der gibt keine Ruhe. Im Gegenteil. Mit allen Entscheidungen beweist er, dass sein Verständnis von Meinungsfreiheit und Pressefreiheit im Journalismus mit einer Demokratie nichts zu tun hat.

So will er nun gegen Böhmermann vorgehen. Dann hat er allerings noch mehr zu tun.

Denn ein gewisser Mathias Döpfner hat in einem offenen Brief sich die Äusserungen Böhmermanns mit allen juristischen Konsequenzen zu eigen gemacht. Am 10.04 erklärte er deutlich unter dem Titel: „Solidarität mit Jan Böhmermann“ in der Welt:

Ich möchte mich vorsichtshalber allen Ihren Formulierungen und Schmähungen inhaltlich voll und ganz anschließen und sie mir in jeder juristischen Form zu eigen machen

Doch dieser Mathias Döpfner ist nicht irgendwer. Es ist der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE. Der Herr über BILD, WELT& Co. Und das dies ein mächtiger Verbündeter für Jan Böhmermann sein kann, dürfte auch Erdogan bekannt sein. Wie wichtig die Meinungs- und Pressefreiheit auch in Zukunft ist wird spätestens dann klar wenn man sich vor Augen hält, dass selbst grosse Verlage wie Springer unter einem Erdogan ganz schnell verboten oder mit eigenen Leuten besetzt wären. Das weiss auch ein Mathias Döpfner.

Der offene Brief „Solidarität mit Jan Böhmermann“ steht hier

Der Angriff auf die Meinungsfreit und die Verfassung

Es ist trotzallem eine gefährliche Situation. Denn die Böhmermann-Affäre ist viel mehr. Es ist der Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland. Und genau die hat eine Regierung und eine Kanzlerin zu verteidigen. Abgesehen mal vom Eid „Schaden vom Deutschen Volk abzuwenden“. Anstatt sich vor die Verfassung, das eigene Volk, die Presse und die Künstler zu stellen war die erste Reaktion die die Kanzlerin über Ihren Pressesprecher verkünden lies vernichtend.

„Das Böhmermann-Gedicht sei bewußt verletzend“.

Damit hat sie sich gleich zu Beginn der Debatte festgelegt. Ab jetzt gibt es kein Zurück mehr. Nur noch ein, wie die Herausgeber der Washington Post in einem Editorial formulierten: „Geschwafel“.

Die Amerikaner äusserten damit ihre Ablehnungshaltung gegenüber Merkels Kurs. Das selbst die renommierte Washington Post sich zum Thema äussert, zeigt die Brisanz des Themas.

Es ging in erster Linie darum Europas Türsteher Erdogan nicht zu verärgern. Diesem geht es vor allen Dingen darum Kritiker im eigenen Land und im Ausland mundtot zu machen. Dafür lässt er schon mal Journalisten verhaften und Prozesse gegen kleine Jungs führen die sich nur einen Spass machen wollten. Damit ist klar. Erdogan ist kein Demokrat. Freiheit sieht anders aus.

Wer glaubt das Abkommen mit der Türkei hätte nun alle Probleme gelöst, der irrt gewaltig. Der Flüchtlingsstrom ist vorübergehend ausgedünnt. Doch der Preis den Deutschland dafür zahlt, ist in seiner Dimension nicht absehbar.

Im Zuge der massiven Kritik auch aus den eigenen Reihen liess die Kanzlerin dann noch schnell hinterher erklären, dass Meinungs- und Pressefreiheit unverhandelbar seien.

Das falsche Signal für Meinungs- und Pressefeinde

Ab heute ist es nun amtlich. Die Kanzlerin und ihre Regierung haben sich darauf geeinigt, dass die Strafverfolgung von Jan Böhmermann freigegeben ist. Auch hier hat sie sich wieder nicht getraut, dem Meinungs- und Pressefeind aus Istanbul die deutschen Grenzen zu zeigen. Das wäre allerdings ein wichtiges und notwendiges Signal gewesen. Eine Einmischung aus der Türkei in deutsche Angelegenheiten ist ein No-Go und muss ein solches bleiben.

Stattdessen hat sie den schwarzen Peter nun an die Justiz weitergereicht. Nur um den unsäglichen Deal mit dem Autokraten vom Bosporus nicht zu gefährden gehen Kanzlerin und Regierung das Risiko eines Angriffs auf die Meinungs- und Pressefreiheit ein.

In einer Erklärung in der sie einen wenig routinierten Eindruck machte und sich sichtlich unwohl fühlte sagte Sie heute:

Die Regierung gestatte die Strafverfolgung, weil sie „von der Stärke des Rechtsstaates überzeugt“ sei

Ein durchsichtiges Statement um die eigene Entscheidungsunfähigkeit zu verschleiern. Wenn die Regierung und die Kanzlerin die Verfassung und die Deutschen geschützt hätten, dann wäre die Stärke des Rechtsstaats nicht notwendig.  Die Regierung hätte nur der Anfrage aus Istanbul die rote Karte zeigen müssen. Vielleicht lesen Kanzlerin und Regierung nochmals den offenen Brief von Mathias Döpfner durch?

Deutschland quo vadis.

Die Herausgeber der Washington Post schreiben dazu unmißverständlich

„Der Grundstein der Verfassung, die Meinungsfreiheit ist nicht verhandelbar, liess sie ihren Regierungssprecher am Montag verkünden. Das hätte ihre einzige Antwort sein sollen.“

„Merkels Geschwafel ist dazu angetan, Erdogan und andere Regime, die kritische Äußerungen sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Grenzen unterdrücken wollen – China kommt uns in den Sinn – zu ermutigen“, so die Herausgeber der Washington Post.

Der gesamte Kommentar der Herausgeber der Washington Post steht hier.

Was steht denn nun in diesem Gesetz drin?

Ab 2017 soll nun das entsprechende Gesetz abgeschafft sein und nicht mehr gelten. Trotzdem lohnt ein Blick in diesen Paragraf 103 StgB. Da heisst es:

§ 103 Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten

(1) Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ist die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen, so ist § 200 anzuwenden. Den Antrag auf Bekanntgabe der Verurteilung kann auch der Staatsanwalt stellen.

Was lesen wir da?

…ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält …

Erdogan hatte sich zum Zeitpunkt der sog. Beleidigung nicht in amtlicher Eigenschaft im Inland, also in Deutschland aufgehalten. Er war auch nicht der beglaubigte Leiter der türkischen Vertretung. Nun erhebt sich die Frage, inwieweit gibt es generell eine Rechtsgrundlage für ein Verfahren auf der Basis dieses Paragrafen?

Eines darf man jetzt schon sagen. Ein Gesetz gegen künstlerische Majestätsbeleidigung ist nicht mehr zeitgemäß und muss abgeschafft werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Justiz dieser Posse ein schnelles Ende setzt.

Denn alles Andere als eine Einstellung des Verfahrens wäre ein Einschnitt in die verfassungsmässigen Rechte eines Jan Böhmermann und eines Mathias Döpfner. Zudem würde ein völlig falsches Signal an alle Despoten der Welt ausgesendet werden.