Fachtagung im Heinrich Pesch Haus: „Interkulturelle Herausforderung – Strafunmündige!“

Podiumsdiskussion anlässlich der Fachtagung: "Interkulturelle Herausforderung - Strafunmündige!" im Heinrich Pesch Haus

Wie sollen Jugendamt und Polizei mit straffällig gewordenen Menschen unter 14 Jahren umgehen? Diese Frage behandelte heute eine Fachtagung im Heinrich Pesch Haus. Rund 100 Fachkräfte hatten sich angemeldet, um die Stärken neuer und die Schwächen alter Lösungsansätze zu diskutieren.

Die Tagung orientierte sich an einem der wesentlichen Befunde der wissenschaftlichen Begleitforschung zum Ludwigshafener „Haus des Jugendrechts“ (JuReLu). Dort wurde eine hohe Zahl Strafunmündiger an den Gesamtfallzahlen festgestellt. Die genauen Zahlen sollen im Frühjahr 2013 nach beendeter wissenschaftlichen Auswertung in einer Pressekonferenz vorgestellt werden.

Nach einer Studie des Mainzer Instituts für sozialpädagogische Forschung (ism) beschäftigen sich nahezu 20 Prozent aller Ermittlungsverfahren mit unter 14-Jährigen. Insgesamt werden in Ludwigshafen jährlich etwa 2000 Kinder und Jugendliche als Tatverdächtige auffällig und bei der Polizei registriert. Der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger liege bei einem Drittel. Die somit oft vorhandene Gemengelage verlange nach noch stärkerer Kooperation der betroffenen Institutionen wie etwas Polizei und Jugendämter. Beispielgebend sei hierbei das bewährte Projekt „Haus des Jugendrechts“ in Ludwigshafen.

Vertreter von Polizei, Jugendarbeit und Politik betonten aber unabhängig voneinander, dass es einen starken Unterschied zwischen gefühlter und tatsächlicher  Jugendkriminalität existiere. Polizeihauptkommissar Jörg Hassler verwies auf die Fallzahlen der letzten Jahre. Diese zeigten keine Verschlechterung. Es sei eben nicht alles „brutaler du hoffnungsloser“ geworden. Bei der Verbreitung negativer Bilder in der Bevölkerung spielten auch die Darstellungen der Medien eine nicht geringe Rolle.

Wissenschaft und Alltagspraxis

Das Resümee der Fachvorträge wurde in einer Podiumsdiskussion dargestellt. Unter der Leitung von Jürgen May, Geschäftsführer im JuReLu, stellten Staatsministerin Irene Alt, die beiden Ortsvorsteher Antonio Priolo und Christoph Heller, Wissenschaftler und Praktiker der Jugendarbeit, der Familienrichter Frank Klippel und Polizeihauptkommissar Jörg Hassler ihre Perspektiven auf die Situation delinquenter Jugendlicher dar. Einigkeit herrschte darüber, dass frühzeitig niedrigschwellige Hilfe den betroffenen Familien und Jugendlichen angeboten werden müsse. Dass hierbei eine gute Vernetzung und Zusammenarbeit der Institutionen der Schlüssel sei, könne als ein wichtiges Ergebnis mehrerer Modellprojekte gelten.

Hilfen seitens des Staates gebe es viele, so Staatsministerin Alt. Man habe jedoch in der Vergangenheit das Leben der Menschen in viele Abschnitte geteilt, für die verschiedene Institutionen verantwortlich sein sollten. So entsanden getrennte Bereiche mit eigener Spezialisierung und die „Ganzheitlichkeit sei aus dem Blick geraten“. Dieser Entwicklung werde nun gegengesteuert. Zudem  müssten die „Regelberatungsysteme“, also etablierte Beratungs- und Hilfsangebote, stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung gelangen. Oftmals seine Hilfsangebote dar, würden aber aus Unkenntnis oder auch Scham nicht rechtzeitig angenommen, so Alt.

Kooperation und Ganzheitlichkeit

Für ältere Menschen, für die Schulzeit, für Migranten oder für Familien: für verschiedene Situation getrennte Angebote bereitzustellen führt auch zu lediglich fragmentierter Hilfe und bleibt trotz guter Ansätze Stückwerk.  Auch Bern Holthusen vom Deutschen Jugendinstitut in München plädierte dafür, „das ganze Leben mehr in den Blick zu nehmen“.  Er äußerte sich angesichts  der Entwicklungen positiv: „Es gibt eine lebendige Kooperationskultur“, sagte Holthusen und verwies etwa auf das erfolgreiche Projekt F.I.B.S. („Frühe Intervention bei Strafmündigen“). Solche erfolgreichen Projekte sollten jedoch nicht aus Ressourcenmangel finanziell beschnitten werden. Mit Blick auf die Politik müsse eine Überführung  der Projekte in die Regelpraxis ein wichtiges Ziel sein.

JuReLu

Ein Projekt das durch seinen Erfolg die sog. Regelpraxis stark beeinflusst, ist das Haus des Jugendrechts in Ludwigshafen. Es wurde 2005 als erste Einrichtung dieser rt in Rheinland-Pfalz gegründet. Das JuReLu ist ein Kooperationsmodell von Jugendhilfe im Strafverfahren in öffentlicher und freier Trägerschaft, Polizei und Staatsanwaltschaft. Dabei werde zudem eng mit dem Amtsgericht und weiteren Partnern zusammengearbeitet. Ziele des Modellprojekts sind eine behördenübergreifende Zusammenarbeit durch Unterbringung aller beteiligten Institutionen in einem Gebäude  und dadurch zeitnahe Reaktion (u.a. im Bereich Jugendgefährdung), Beschleunigung staatlicher und kommunaler Reaktionen auf Straftaten junger Menschen, angemessene Reaktion auf normwidriges Verhalten.  Langfristig soll eine Reduzierung der Jugenddelinquenz erreicht werden.

Dem JuReLu wurde vonseiten der Wissenschaft mehrfach eine vorbildliche Funktion bescheinigt , sodass durch diesen Modellerfolg weitere Häuser des Jugendrechts entstehen konnten.

http://jurelu.wordpress-und-bildung.de/