Ben Becker & Giora Feidmann „Zweistimmig“ im Capitol, Mannheim

Ben Becker (rechts) & Giora Feidman

Zwei charismatischer Künstler auf gemeinsamer Tournee.

Beide gelten sie als Meister ihres Fachs: Giora Feidman, der Magier mit der Klarinette, und der Schauspieler und Sänger Ben Becker mit der unverwechselbaren Stimme.

Zum ersten Mal treten sie nun gemeinsam auf. Ben Becker las Gedichte von Paul Celan, Giora Feidman und sein starkes Ensemble traten mit dem Wort in einen musikalischen Dialog. Im Duett kennen sie sich seit Jahren und schätzen einander sehr.

Schon einmal traten die beiden gemeinsam auf: im gefeierten Film „Comedian Harmonists“. Becker gab einen der Protagonisten, Feidman war in einer eindrucksvollen Nebenrolle zu sehen. Schon lange feilten sie, die vom Alter her Vater und Sohn sein könnten, an der Idee eines gemeinsamen Programms, das nun Wirklichkeit wurde.

Die Kunst des Lesens von Ben Becker ist allein für sich schon ein Erlebnis. Doch gehört der Abend nicht nur den Versen des in Rumänien geborenen Dichters Paul Celan. Feidmans Klarinette und die Instrumente seines Ensembles holten Beckers Worte ein und gaben ihnen eine zweite Dimension. Mal sollte die Musik Celans Botschaft unterstreichen, mal ihr effektvoll Kontraste entgegensetzen, sowie Leid und Freude vielschichtig sind. Diese Zweistimmigkeit von Wort und Musik inszenierte eine neue Einheit, durch die diese Tournee einzigartig wird.

Giora Feidman wurde 1936 in Argentinien geboren. Der jüdische Klarinettist gehört zu den bekanntesten und renommiertesten Künstlern jenseits des Pop, seit vielen Jahrzehnten. Rund um den Globus erleben die Menschen den Musiker als eine Bühnenpersönlichkeit mit glaubwürdiger Botschaft und werden sich von den Klängen seiner Klarinette verzaubert.

Nach Jahren der Mitgliedschaft im Israel Philharmonic Orchestra entdeckte er Klezmer, die Musik der osteuropäischen Juden. Der von ihm geprägte und weltweit bekannt gemachte „Jewish Soul“ ist eine Synthese brillanter Instrumentenbeherrschung und intensiver Emotionalität. Diese Mischung lässt jeden seiner Auftritte zu einem unvergesslichen Erlebnis werden. „Ich spiele Klarinette, um die Menschen an meinem Inneren teilhaben zulassen“, sagt er.

Ben Becker wurde in Bremen 1964 geboren. Das Multitalent wirkte schon als Kind in Hörspielen mit und bekam erste kleine Filmrollen. Nach zwei Jahren Schauspielunterricht und einer vorausgegangenen Tätigkeit als Bühnenarbeiter erhielt er 1987 sein erstes Theaterengagement in Hamburg, dem u. a. Stationen am Staatstheater Stuttgart und am Schauspielhaus Düsseldorf folgten.

Parallel zur Theaterarbeit übernahm er Filmrollen. Den Durchbruch brachten Hauptrollen in Joseph Vilsmaiers „Schlafes Bruder“ und im Erfolgsfilm „Comedian Harmonists“ (1997), in dem er den Sänger Robert Biberti verkörperte. 2006 fand Becker mit der Kinofassung des Monologstückes „Ein ganz gewöhnlicher Jude“ große Anerkennung, 2009 erhielt er bei den Salzburger Festspielen für den „Tod“ im „Jedermann“ hervorragende Kritiken. Als ausdrucksvoller Sprecher überzeugte Ben Becker 2008 bei einer Lesereise mit Bibeltexten aus dem Alten und Neuen Testament.

Der Dichter Paul Celan (eigentlich Paul Antschel) wurde 1920 als Sohn deutschsprachiger Juden in Rumänien geboren. Er studierte kurzzeitig in Frankreich Medizin, danach Romanistik in Rumänien. 1942 wurden seine Eltern deportiert und noch im selben Jahr getötet. Celan musste in mehreren rumänischen Arbeitslagern Zwangsarbeit leisten, bevor es ihm gelang nach Bukarest zu entkommen. Hier arbeitete er als Lektor und Übersetzer und veröffentlichte erste Gedichte. In Deutschland wurde er durch den 1952 erschienenen Gedichtband „Mohn und Gedächtnis“ bekannt, aus dem Ben Becker las. 1948 zog Paul Celan nach Paris. Hier lebte er bis zu seinem Freitod am 20. April 1970. „Mohn und Gedächtnis“ gilt als eine der bedeutendsten Gedichtsammlungen der deutschen Nachkriegslyrik. Weltbekannt geworden ist die darin enthaltende Todesfuge, eines der Schlüsselgedichte des 20. Jahrhunderts.

Gelesen von Becker und von Feidman meisterhaft in Melodien gesetzt wird offenbar, was Celans Gedichte auszeichnet: nicht nur Schwermut, wie man angesichts seiner Biographie meinen könnte, sondern Menschlichkeit in einer Intensität, die den Zuhörer bereichert.

Feidmans Klezmermusik paßte wohltemperiert zu Beckers facettenreicher Stimme. Aber nicht nur sie erfüllte den alten Kinoraum, Dias mit schwarz-weiß Fotografien aus Celans Leben illustrierten dezent den Vortrag, dessen Thema hauptsächlich seine psychischen Probleme und sein Selbstmord 1970 waren.

Zum Schluss wurde Becker ein wenig persönlich und referierte in wenigen Sätzen seinen Zugang zu Celan. Von dieser persönliche Meinung hätte man gerne mehr gehört. Insgesamt hätte man Musik und Text noch mehr verweben sollen, wie es einige Male versucht wurde. Insgesamt war die Inszenierung perfekt, doch dadurch leider auch kalt und leidenschaftslos.