„Lange Nacht der Museen“ in Mannheim oder warum ich an Führers Geburtstag im Bunker war

Der jüngeren Generation ist er natürlich nicht mehr so bewußt, unser eins wurde noch von den Eltern oder Großeltern mit diesem Datum geimpft, dem 20.4.: Führers Geburtstag. Und so war auch der Ochsenpferch-Bunker in der westlichen Neckarstadt eine Hinterlassenschaft des tausendjährigen Reichs, mit dem ich meine persönliche „Tour de Denkmal“ am Samstagabend begann.

Die Lange Nacht der Museen, in diesem Jahr insgesamt von 20 000 Interessierten besucht, bot vielerlei Programm, die Auswahl fiel schwer. Und daher hörte ich auch wenig unterwegs zu, was die Besucher so von allem hielten, was sie sahen. Den Bunker fanden meistens Jugendliche toll.

Das massive Bauwerk aus Beton, Stahl und Eisen prägt das Bild des Brückenkopfs in der westlichen Neckarstadt. Der Ochsenpferch-Bunker wurde in den Kriegsjahren gemeinsam mit über 50 weiteren Bunkern im Mannheimer Stadtgebiet errichtet und ist unter den Hochbunkern der größte. In ihm fanden während der Bombennächte bis zu 7500 Menschen Schutz. Heute beherbergt der Bunker Teile der Sammlung des Stadtarchivs Mannheim – Institut für Stadtgeschichte.
Nur zur Langen Nacht ist der Bau zur Besichtigung geöffnet. Dort präsentierte das Stadtarchiv eine Ausstellung zur Geschichte des Bunkerbaus in Mannheim. Historische Fotografien und Pläne zeigten nicht nur die wichtigsten Anlagen, sondern dokumentierten auch die Not und die verheerende Zerstörung während der Kriegsjahre.

Auch die Nutzung der Bauten nach dem Krieg wurde aufgezeigt, so diente der Ochsenpferch-Bunker zum Beispiel diente viele Jahre als Ersatz für zerstörten Wohnraum.
In diesem Jahr zum ersten Mal wurde in den Räumen des Bunkers die Kunstausstellung ERBLAST D mit Objekten zum Thema Holocaust gezeigt. Die in Mannheim geborene Künstlerin Uscha Rudek-Werlé hat Fundstücke gesammelt, bearbeitet und in einen neuen, noch nie gedachten Bedeutungszusammenhang gestellt.

Damit konnten zwei ca. 16jährige, die direkt vor mir hergingen, nicht sehr viel anfangen. Beeindruckt zeigten sie sich von der Vorstellung, wie es wohl gewesen sein musste, eingepfercht mit so vielen Menschen das Brummen der Bomber über der Stadt und die darauf folgenden Explosionen zu hören und zu fühlen – seltsam blass waren die beiden jungen Herren.

Weiter in der Straßenbahn in Richtung Schloss.

Aufgeregt erzählte ein wohl distinguiertes Paar in mittlerem Alter ihren ebenso gesetzten und feierlich gekleideten Freunden, die nun zugestiegen waren, von einem Angriff auf ihre bürgerliche Etikette.

Ein junges Mädchen, um die achtzehn Jahre, habe versucht, vor den Reiss-Engelhorn-Museen Karten für die LNdM zu verkaufen. Statt der 19 Euro an der Abendkasse habe sie nur 15 Euro verlangt, mit dem Hinweis, ihre Eltern wären unpässlich. Von solchen Trickbetrügern wüsste man sich aber nicht hereinlegen lassen, sie hätten erst gar nicht geantwortet, u.U.sollte man den Fall vielleicht sogar der Polizei melden ..bla bla bla

Durch Zufall erzählte mir meine Freundin Elisabeth, die nicht am Schloss war, wie verabredet und auch nicht an ihr Handy ging, am nächsten Tag, dass sie und ihr Mann eine Fischvergiftung hatten und daher ausgefallen waren. Ihrer 17jährigen Tochter Sonja, die versucht hatte, die Karten noch an den „Mann“ zu bringen, wären sehr seltsame Reaktionen entgegen gebracht worden.

Ist das das richtige Publikum für einen solchen Event?

Zwischenstopp am Paradeplatz. Der Anblick der Massen, die zum dortigen Bunker wollten, der erstmalig geöffnet wurde, hielt mich ab, auch diesen noch zu besichtigen, 8000 sollen es insgesamt gewesen. Durchs Gedränge, fast wie der Fastnacht, ging es für mich weiter zum Schloss, auch ich wollte einmal die kurfürstliche Mumie sehen. Nachtschwärmer um mich herum, leider doch schon einige betrunkener als ein Museum es verdient.

Eine männliche Vierergang aus Lampertheim wollte gar erfahren haben, dass man am Wasserturm besonders gut Frauen anmachen kann. Nachdem sie das verkündeten, wollte ich wissen, warum.

Wegen der Musik, erfuhr ich. Stephanie Neigel ist wohl besonders bei jungen Frauen beliebt, und sie gab dort zu jeder vollen Stunde ein kleines Konzert auf der Treppe.

Dietmar Brixy zeigte dazu seine farbenfrohe Kunst – die Warteschlange schien unendlich. Nicht weniger groß war auch in diesem Jahr wieder der Andrang zur kurfürstlichen Gruft. Modrig und gruselig war es dort eigentlich nicht, aber sie ist immer nur zur Langen Nacht geöffnet, und einbalsamierte Leichen interessieren eben.

Hinter dem Altar befindet sich die Sakristei, von der man in die Gruft gelangt sind Kurfürst Carl-Philipp und seine dritte Frau, Gräfin Violantha von Thurn und Taxis, sind hier in prächtigen Sarkophagen begraben. Sie wurden 1946 aufgebrochen. Bei der polizeilichen Untersuchung wurde festgestellt, dass der einbalsamierte Leichnam des Kurfürsten relativ gut erhalten war, von seiner Gemahlin waren hingegen nur noch die Gebeine erhalten.

Mumien im Barockschloss – was für ein Fund

Auf dem Weg hinaus höre ich einigen Kindern zu. Ein ca. 8 Jähriger erklärte seinem Freund, sie wären über Ostern in Südtirol gewesen, und auch im archäologischen Museum in Bozen. Dort liegt Ötzi. Und der wäre echt cooler …was auch immer das in diesem Zusammenhang bedeuten mag. Last not least fand das eigentlich wirklich Interessante abseits der großen Attraktionen und bekannten Institutionen.

Die Mannheimer Kulturszene ist vielfältig und muss sich nicht vor der alten Universitäts- und Literaturstadt Heidelberg verstecken.

Beeindruckend ist z. B.das Fotostudio von Tommy Mardo, das in siebenjähriger Umbauzeit im ehemaligen Kino "Rex" entstand. Im Blumenfressersalon, in dem sich vier Künstler zum "Blind Date" trafen. Ana Laibach, die in häufiger solche Ereignisse in ihrem Atelier veranstaltet, Andrea Piep, Andreas Rauscher und Ingo Lehnhof kannten sich nur aus Briefen. Aus der virtuellen Begegnung sollte nun eine reale werden und so stellten sie an diesem Abend erstmals gemeinsam aus. Die Mischung erwies sich als kreativ und witzig, vielleicht auch ein wenig bizarr anmutend, es gab Getränke vom Kittelschürzenkollektiv und Musik von Bellsparx.

Noch wenige Schritte in die Richtung eigene Wohnung, aber vorher noch ein Besuch in der Ten Gallery, bei mir um die Ecke. Atari und Amiga, an Pacman und Test Drive, Musik natürlich aus den 80ern und von der Kassette ließen Erinnerungen an „bessere“ Zeiten wach werden. Und so meinte auch einer der vielen Herren, die von den Rechnern nicht mehr loskamen, „die Dinger heben heute noch, da steig' mir doch der Zuckerberg in die Tasch' “.

Wo er recht hat, hat er recht – mal sehen, was die LNdM 2014 bringt.