Anarchistische Welten: 2. Anarchistische Buchmesse in Mannheim

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Wer bei Anarchie gleich an Bombenleger, an Dosenbier und ans Rumlungern im Stadtpark denkt, ist schlecht informiert. Was aber auch kein Wunder wäre, denn über die "Welt des Anarchismus" sind nur wenige ausreichend unterrichtet. Die Anarchistische Buchmesse ist ein gelungener Versuch, bei diesen weit verbreiteteten Defiziten für Linderung zu sorgen.

Buchmessen haben das Flair des Intellektuellen und auch bei einer anarchistischen Buchmesse spürt man die Wirkungen anspruchsvollen Geisteslebens. Die Geschichte der Anarchie ist eine Geschichte voller Missverständnisse und vermutlich sogar absichtlicher Fehlinformationen. Wie auch der Hedonismus ist der Anarchismus zum Unwort geworden, verunglimpft und verlacht.

In Wahrheit jedoch haben sich große Geister mit den Gedanken der Anarchie auseinandergesetzt. Es wurde über Jahrhunderte versucht, die Bedingungen der Möglichkeit eines herrschaftsfreien Miteinanders zu ergründen. Hier und da wurden auch Versuche gemacht, den Worten, den Ideen und Utopien Taten folgen zu lassen. Selbst der wirkmächtige Königsberger Philosoph Immanuel Kant wusste: es geht nicht um Krawall, sondern um "Gesetz und Freiheit ohne Gewalt".

Auch die Gegenwart ist voller Anarchisten. Und zwar auf höchstem philosophischen und gesellschaftswissenschaftlichen Niveau. So ist etwa Noam Chomsky gewissen Spielarten des Anarchismus zugetan Und ohne Chomsky wären – das wird nirgends geleugnet – die Linguistik, die Computerwissenschaften und nicht zuletzt die Feuilletons um einiges ärmer.

Gilt auch für Anarchisten: Lesen bildet

Nach einem durch naives Interesse und Aufgeschlossenheit motivierten Besuchs wird niemand gleich die Gesellschaft umkrempeln wollen, erst recht nicht mit blinder Gewalt. Aber in Zeiten, in denen die Norm der Produktivität und der Verkauf an den Meistbietenden als alternativlose Mantren gesungen werden sollen, ist es gut, sich mit ungewöhnlichen und – ja, auch – revolutionären Gedanken auszustatten. Selbst wenn durch die Gegensätze zum Herkömmlichen nur das eigene Denken wieder neuen Schwung und neue Nahrung bekommt. Sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, ist auch bei Anarchisten oberstes Gebot.

An mehreren Ständen konnte man in bekannten und unbekannten  Werken von Klassikern des Anarchismus stöbern, konnte man an antiquarischen Ständen Schätze entdecken und sich über anarchistische Projekte informieren. Man merkt schnell: Gerade die Region an Rhein und Neckar ist nicht gerade arm, an anarchistischem Gedankengut. So wird zum Beispiel in Speyer eine Dauerausstellung des Autors und Anarchisten Horst Stowasser (2009 in Ludwigshafen gestorben) vorbereitet. Ab Mitte des Jahres soll sein reichhaltiger Nachlass Besuchergruppen zugänglich gemacht werden.

Libertäre Gedanken, Aktionen und Musik

Neben den Bücherständen und Lesungen von Autorinnen und Autoren wurde ein reichhaltiges Musik- und Vortragsprogramm geboten. Die Vorträge befassten sich dabei ausgewogen mit historischen Themen zum Anarchismus, infomierten aber auch über aktuelle Probleme libertärer Projekte rund um den Globus.

So widmete sich etwa ein Vortrag der aktuellen politischen Situation in Griechenland – und zwar abseits blinder Heilserwartungen sparsamer schwäbischer Haufrauen, sondern mit dem Blick auf die Leidtragenden – Menschen ohne Vermögen. Auch wurde die Situation von Anarchistinnen und und Anarchisten in Weißrussland (weiß Gott kein Land der Freiheit) beleuchtet.  Die meisten Vorträge schlossen mit genügend Raum für Fragen und kleinere Debatten.

Es ist den Veranstaltern und dem interessierten Publikum zu wünschen, dass auch in den kommenden Jahren diese Veranstaltung in Mannheim eine sichere Zukunft hat.

http://www.anarchie-mannheim.de/